Tom Früchtl, Franziska Reinbothe, Elisabeth Sonneck

Blau Pappe grün hängen

Blau Pappe Grün Hängen

11. Juni – 24. Juli 2016
Kuratiert von Dr. Margit im Schlaa

Eröffnung: Freitag, 10. Juni 2016, 19:00 Uhr
Finissage: Sonntag, 24. Juli 2016, 14-17 Uhr
Öffnungszeiten: Sa-So 14-17 Uhr und nach Vereinbarung

Tom Früchtl, Franziska Reinbothe und Elisabeth Sonneck gelten als Neue Abstrakte in der zeitgenössischen Malerei, die über die Errungenschaften der abstrakten Moderne - die Reflexion und Betonung der essenziellen Bedingungen der Malerei – hinausgehen. Sie vollziehen einen Bruch mit den traditionellen Regeln und Normen des Mediums, der in die lapidare visuelle Behauptung der materiellen Objekthaftigkeit ihrer Arbeiten mündet. Eben dieser Bezug ihrer Arbeiten zum Raum, diese Schnittstelle von Malerei und Skulptur ist es, an der die Widersprüchlichkeit zwischen der affirmativ anmutenden materiellen Ästhetik und dem subtilen Gestaltungsprozess der Arbeiten offenbar wird: Sie stellt nicht nur konventionelle Vorstellungen und Erwartungen an ein gemaltes Bild in Frage, sondern macht Malerei zu einer Angelegenheit des zweiten Blicks.

Tom Früchtls Arbeiten erscheinen auf den ersten Blick provozierend banal. Man sieht abgewetzte Pappkartons, abgebrochene Holzplatten, alte Möbeldecken oder zerlumpte Handtücher, die erst bei genauerem Hinsehen offenbaren, dass sie bemalt sind. Früchtl trägt Acryl oder Öl in camouflierender Weise auf die Strukturen und Oberflächenerscheinungen der Alltagsgegenstände auf, wodurch er sie wiederholt bzw. malerisch verdoppelt. Was dadurch entsteht, ist die Verschmelzung von Malerei und Gegenstand, der zugleich Bildträger ist, zu einer weder medial noch stilistisch genau zu definierenden künstlerischen Einheit. Die Eigenart dieser „Gemäldeobjekte“, wie der Künstler sie nennt, jedoch auf ihren Trompe-l’oeil-Effekt zu reduzieren, hieße, Früchtls Malerei mit traditionellen Vorstellungen von illusionistischer Malerei zu verwechseln, über die Früchtls Konzept weit hinausgeht: Mit der malerischen Identifikation von Gegenstand und dessen Abbild evoziert er eine Ästhetik des Verschwindens, welche die Malerei von der ihr seit jeher zugeschriebenen Repräsentationsfunktion erlöst.

Auch Franziska Reinbothe fokussiert Farbe und Bildträger als Materialien, deren Selbstverständlichkeit als Grundlagen der Malerei sie mit aller Skepsis begegnet. Zwar trägt die Künstlerin zu Beginn ihrer Arbeit zunächst ganz dem konventionellen Malereiprozess entsprechend Farbe auf die Leinwand auf, doch beginnt danach ein Prozess roher Eingriffe in das Material, der die künstlerische Reflexion des Mediums Malerei in einen Ablauf konzertierter Gewaltakte und kalkulierter Handgreiflichkeiten überführt. Dieser Vorgang resultiert in einer neuen, widerständigen Ordnung des Bildmaterials, dessen schroffe Körperlichkeit den Betrachter in einer lauten, unmissverständlichen und humorvollen Sprache angeht. Sperrige Bruchstücke von Keilrahmen oder rasch zusammengenähte, verzogene Leinwandstücke präsentieren ihr chaotisch, unbeholfen, verwundet wirkendes Sosein als freches statement, dessen Selbstbewusstsein die Titel mit ironischer Distanz auf den Punkt bringen.

Elisabeth Sonnecks malerische Papierarbeiten kennzeichnet eine starke leibliche Präsenz, die nicht nur durch ihren skulpturalen Charakter, sondern vor allem durch Sonnecks sehr körperlichen Umgang mit der Farbe hervorgerufen wird. In gebeugter Haltung über den Papieren stehend streicht sie die dünne Farbe in gleich breiten Bahnen und in gleich bleibenden Bewegungen von links nach rechts in mehreren dünnen Schichten auf das Papier, sodass der Farbwert ihrer Arbeiten erst in diesem rhythmisch-dynamischen Prozess entsteht. Die irisierenden Farblasuren erzeugen eine Tiefenwirkung, die nach der anschließenden Verarbeitung der getrockneten Papiere zu skulpturalen Rollbildern oder Röhren deren Illusion von Körperlichkeit noch steigern. Im Raum stehend oder hängend stellen die Arbeiten vielfältige Bezüge zwischen Farbe, Raum und Körper her, welche die Fragilität der Papierobjekte vergessen und sie stattdessen als verlebendigte Bild-Körper erscheinen lassen, die dem Betrachter einen leiblichen Spiegel vorhalten: „Was ich sehe, geht mich an.“


Stationen der Künstler*innen

Tom Früchtl lebt in Berlin und studierte von 1990-1997 an der AdBK München.

Ausstellungen (Auswahl)
2015 „Vorbilder oder die Verkleidung der Dinge“, Kunstverein Tiergarten, Berlin; reverb, Vincent Sala, Paris Berlin; 2014 „Vitis Vinifera“,107 Shackelwell Lane, London; “raw materials“, Vom Baumarkt ins Museum“, Städtische Galerie Delmenhorst / Städtische Galerie Bietigheim-Bissingen; 2013 S(ch)ichtwechsel! Neue Blicke auf die Sammlung“,Museum für Konkrete Kunst, Ingolstadt; 2012 „not unreal“, Kunsthalle Göppingen.
Mehr Infos unter www.nusserbaumgart.com/de/artists/artist/tom-fruechtl-63.html


Franziska Reinbothe lebt in Leipzig. Sie hat von 2003-2010 Medienkunst bei Prof. Christin Lahr und Malerei/Grafik bei Prof. Ingo Meller an der HGB Leipzig studiert. Von 2010-2013 absolvierte sie ebd. ein Meisterschülerstudium und wurde 2015 künstlerische Mitarbeiterin der Fachklasse für Malerei mit medienübergreifender Ausrichtung von Prof. Meller. 2013 erhielt sie ein Residenzstipendium in der Nida Art Colony, Litauen, 2015 das Residenz-stipendium Schloss Plüschow Wismar und 2016 das Wilhelm-Morgner-Stipendium Soest.

Ausstellungen (Auswahl)
2016 „Allerbeste Aussichten“, Kunstraum Alexander Bürkle, Freiburg; „Franziska Reinbothe“ Galerie Kim Behm, Frankfurt/M.; „Spring Exhibition 2016“ Charlottenborg Kunsthal, Kopenhagen (DK); 2015 „Neue Editionen“, ACEC Apeldoorn (NL); „Malerei“, Galerie Ebbers, Kranenburg; 2014 Salon der Gegenwart 2014, Hamburg; WIN-WIN, Leipzig
Mehr Infos zu Franziska Reinbothe unter www.franziska-reinbothe.de


Elisabeth Sonneck lebt in Berlin, studierte von 1984-1988 an der FH für Kunst in Ottersberg und hielt von 2013-2015 Lehraufträge zum Thema „Farbe und Raum“ an der HbK Saar ab.

Ausstellungen und ortsspezifische Arbeiten (Auswahl):
2016 „background vocals“, Kunstverein Viernheim (E); „The Berlin Case“, B. Yeltsin Centre, Yekaterinburg, RU; 2015 „Fliegenfänger“, widmertheodoridis, Eschlikon, CH (E); „mono poly – 3 Situationen in Farbe“, Kunstmuseum Ahlen (E); „wir können auch anders“, Museum gegenstandsfreier Kunst Otterndorf; 2014 „Farbwechsel“, Kunstverein Gelsenkirchen; 2013 „Farbe Raum Farbe“, Georg Kolbe Museum, Berlin; 2012 „-einander“, Museum gegenstandsfreier Kunst Otterndorf (E); „Hauptsache Grau“, Mies van der Rohe Haus, Berlin; 2011 „Die niederländische Savanne“, Staatliches Museum Schwerin
Mehr Infos zu Elisabeth Sonneck unter www.elisabeth-sonneck.de